Die Frage der Kündigungsfristen für Arbeiter:innen in bestimmten Branchen beschäftigt die österreichische Justiz bereits seit Jahren. Nach zwei OGH-Entscheidungen und einer VfGH-Prüfung hat das Höchstgericht kürzlich eine wichtige Entscheidung zur Beweislastverteilung getroffen.
Hintergrund: Harmonisierung der Kündigungsfristen
Die Angleichung der gesetzlichen Kündigungsfristen für Arbeiter:innen an die (längeren) Fristen für Angestellte, stellte einen weiteren Schritt des Gesetzgebers in der Harmonisierung von Arbeiter- und Angestelltenrechten dar. Allerdings kommt nicht jede/r Arbeiter:in in den Genuss der längeren Kündigungsfristen. Für Branchen, in denen die „Saisonbetriebe“ überwiegen, wurde nämlich den Sozialpartnern erlaubt, von den neuen gesetzlichen Regelungen durch Kollektivvertrag zu Lasten der Arbeiter:innen abzuweichen. Davon haben zahlreiche Kollektivverträge Gebrauch gemacht, wobei in den meisten Fällen der Status quo bewahrt werden sollte.
Wer muss beweisen, dass es sich um eine Saisonbranche handelt?
Nach einer in der Lehre kontrovers geführten Diskussion können HR-Manager in Saisonbranchen nun aufatmen. Denn in der Entscheidung vom 19.09.2024 (9 ObA 57/24h) stellte der OGH nun klar: Möchte sich ein:e gekündigte:r Arbeitnehmer:in auf die längeren gesetzlichen Kündigungsfristen des § 1159 ABGB berufen, so muss er/sie beweisen, dass in der betreffenden Branche Betriebe überwiegen, die keine Saisonbetriebe sind. Nur dann wäre die kürzere kollektivvertragliche Kündigungsfrist (wie etwa die 14-tägige Frist im Hotel- und Gastgewerbe) unwirksam. Kann dieser Beweis nicht erbracht werden – was in der Praxis für einzelne Arbeitnehmer:innen eine kaum zu bewältigende Aufgabe darstellt – gilt die kürzere kollektivvertragliche Kündigungsfrist.
Dieses Ergebnis begründet der OGH damit, dass kollektivvertragliche Regelungen grundsätzlich als rechtswirksam anzusehen sind, solange nicht das Gegenteil bewiesen wird. Das Höchstgericht erkennt zwar die praktischen Schwierigkeiten dieser Beweisführung, sieht sich aber nicht in der Position, „unbefriedigende Gesetzesbestimmungen zu ändern“ – dies sei Aufgabe des Gesetzgebers.
Praktische Konsequenzen für Arbeitnehmer:innen
Für die Praxis bedeutet dies, dass Arbeitnehmer:innen die kürzeren kollektivvertraglichen Kündigungsfristen in der Regel werden akzeptieren müssen. Wenn sie dies nicht möchten, sollten sie versuchen, einzelvertraglich längere Fristen zu vereinbaren.